Der Nachlass der Belgier


Die letzten Wochen waren hart. Jede Menge Leute haben versucht uns uebers Ohr zu hauen ... natürlich nur um an Geld zu kommen. Ich bin schon in vielen Ländern gewesen, aber so viele Betrügern, in so kurzer Zeit, hab ich noch nie kennengelernt.
Mama Berthe (die nette Dame von dem kleinen Laden in unserer Strasse) sagt mir: "Die Menschen hier in Mbanaka sind schlecht“. Naja, aber dann gibt ja auch Mama Berthe, und Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, oder wie war das noch ….
In einem Gespräch mit Christian von Ärzte ohne Grenzen (er stammt aus Kamerun) erklärte er, dass vor allem die Frauen hier in der Region bekannt sind für Ihr aggressives und "selbstbewusstes" Art. Der Anspruch von Weißen etwas zu fordern, und dass alle Europäer reich sind, kenn ich auch von anderen Ländern - aber das Ausmaß ist neu. Die Demokratische Republik Kongo ist wohl nicht ohne Grund das korrupteste Land der Welt… und die Korruption geht von der Spitze bis ganz nach unten.
Warum ist die Situation so extrem? Was ist mit der Demokratischen Republik Kongo passiert, dass Leute hier so wenig Empathie, Moral und Disziplin zeigen? Die Hoffnung stirbt bekanntlich als letztes. Derzeit ist noch so viel übrig, dass ich mir vorgenommen habe das Land besser zu verstehen.
Ist ja auch ganz schön frech von mir hier aufzuschlagen, mit ein Paar oberflächlichen Daten, einigen Berichten und zu glauben es würde schon irgendwie laufen. Der Kongo macht es einem nicht so einfach… jedenfalls nicht wenn man noch irgendwelche ethischen Ansprüche hat. Viele Organisationen die hier ankommen Spielen das Spiel so wie es die Kongolesen die letzten Jahrzehnte gewöhnt sind … vor allem im Osten des Landes wo die internationalen Hilfsorganisationen eine gute und zuverlässige Einkommensquelle bieten – und teilweise die Einzige. Bodenschätze gibt es hier nicht, nach deren Meinung. Der Fakt das man hier das ganz Jahr lang Landwirtschaft betreiben kann, und innerhalb von 3 Monaten bereits ernten kann, zählt nicht…
Jedenfalls ist mein gesetztes Ziel vorerst die Geschichte und Kultur des Kongos besser zu verstehen "Afrikas Weltkrieg - Kongo, der Völkermord in Ruanda und die Entstehung einer kontinentalen Katastrophe" - von Gerard Prunier, schreibt folgendes (frei von Google und mir übersetzt)
"Angrenzend an sieben verschiedenen Ländern, ist Zaire-Kongo das Herz des Kontinents, aber ein schwaches Herz ... Es gibt einfache Gründe dafür: sowohl das Klima, als auch die Mensch-zu-Land-Verteilung waren schon immer ungünstig (der Kongo ist ca. 8 Mal so groß wie Deutschland, allerdings nur 65 Million Einwohner). Die rücksichtslose, private wirtschaftliche Ausbeutung von König Leopold II tat ein Weiteres (von 1887-1907 starben ca. 10-15 Millionen Kongolesen um Gummi und Gold für Leopold zu exportieren). Der von der belgischen Krone im späten neunzehnten Jahrhunderts angerichteten quasi-Genozid, hinterließ eine dauerhaft traumatisiert Bevölkerung.
Die drauf folgende belgischen Kolonisation war eine seltsame Angelegenheit. Eine Mischung aus Staatskapitalismus und koloniale Anthropologie, als auch Kirchen-gesponserten Paternalismus und Zwangsarbeit. Es war eine einzigartige Mischung die die Einheimischen sowohl schützte und gleichzeitig brutal misshandelte, brachte den Belgieren enorme Mengen an Geld und gleichzeitig implementierten sie progressive, soziale Programme zur Absicherung der kongolesischen Bevölkerung. Die Belgier taten das Eine und dann das genaue Gegenteil (schadeten und schützten die lokale Bevölkerung), aber immer unter einer einzigen Leitlinie: Afrikaner sind Kinder, man kann Sie verprügeln oder belohnen, den Umständen entsprechend, aber man sollte ihnen nie vertrauen oder sie ernst nehmen“
Ich kalter Schauer lief mir über den Rücken als ich diesen Teil lies. Menschen um uns herum (Philip, Christina, Bruno, David,...) haben in der Tat die Kongolesen oft mit "sie benehmen sich wie Kinder" beschrieben. Hat sie die Belgische Anschauungswiese in eine selbst-erfüllende Prophezeiung umgewandelt? Verhalten sich die Kongolesen wie Kinder, weil sie wie Kinder behandelt wurden? Oder werde ich so rassistisch wie die Belgier? Meine oft gepredigt Empathie, Liebe und Verständnis für andere Kulturen scheint im Kongo unauffindbar. Anstatt dessen bilden sich Vorteil, Wut und Unverständnis. Meine einzige Hoffnung ist Bildung – von mir selbst ...
Das Buch geht also weiter: "Abgesehen von Südafrika, war der Belgische-Kongo das industrialisierte und" entwickelste " Land auf dem Afrikanischen Kontinent. Bis 1958, der Vorabend zur Unabhängigkeit (die 1960 kam), waren 35 Prozent aller Erwachsenen Kongolesen angestellt in Lohnarbeit- ein Anteil unbekannt anderswo in Afrika. Aber diese Prozentzahl war trügerisch, denn konnte man kaum fünfhundert Arbeiter als "professionelle" Arbeitskräfte bezeichnen, während die anderen unqualifizierte Arbeiter, Landarbeiter, kleine Angestellte und andere Hilfsarbeiter waren. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1960 gab es nur siebzehn (17) Hochschulabsolventen aus einer Bevölkerung von mehr als zwanzig Millionen. Das belgische paternalistischen System benötigte disziplinierte, semi-qualifizierte „Roboter“, aber keine Menschen die Verantwortung übernehmen könnte: die Weißen waren ja dafür da ".

Nur 17 Einwohner die einen Universitätsabschluss hatten – in einem Land mit damals 20 Million Einwohnern! Nach der Zerstörung traditioneller Formen der Organisation der Gesellschaft, wurde das belgische "Projekt" die Kongolesen zu „zivilisieren“ gestoppt bevor es wirklich begonnen hatte.
Auf den ersten Blick waren die Belgier also nicht die „aller schlimmste“ Kolonialmacht auf dem Afrikanischen Kontinent. Im Gegensatz zu den Englischen Kolonien wurden jedoch keine Art von Anstrengungen unternommen um die lokale Bevölkerung auszubilden, oder auf ihre Unabhängigkeit vorzubereiten. Die Belgischen Kolonien wie Rwanda, Burundi als auch die Demokratische Republik Kongo haben den Preis für die fehlende Behandlung als Erwachsene bezahlt. Englische Kolonien (die natürlich auch unglaublich ausgebeutet wurden) hatten dagegen eine lokale Elite, die in Europa ausgebildet wurden und nach der Unabhängigkeit eine bessere Struktur bieten konnte (wenn auch oft weiterhin ungerecht und ausbeuterisch). Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen das die ex-britischen Kolonien wie Kenia, Ghana, Nigeria, und Sued-Afrika heute besser dran sind als belgische oder französische Kolonien.  

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